Friedensförderung: Ein Konzept für die deutsche internationale Politik – kein Instrument des Krisenmanagements

20. April 2017

von Cay Gabbe

Die Bundesregierung sollte nicht nur den Aktionsplan aktualisieren, sondern mutig ein Konzept für die Friedensförderung verabschieden – als Richtschnur für die gesamte deutsche internationale Politik. Der Deutsche Bundestag sollte einen Ausschuss für Friedensförderung einführen.

Es war gut, dass das Auswärtige Amt den Review-Prozess angestoßen hat. Es war gut, dass daraus u.a. die Konsequenz gezogen worden ist, die Krisenprävention zu stärken und es ist begrüßenswert, dass der 13 Jahre alte „Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ durch neue Leitlinien auf der Grundlage eines breiten Diskurses ersetzt werden soll.

„Krisenprävention“ oder „Krisenengagement“ sind jedoch nur ein Schritt. Ihr Denken, ihre Strategien sind von der Zielrichtung her eingeengt – Prävention will Negatives verhindern, ist aber kein primärer Wert wie Frieden, der mehr beinhaltet als die Abwesenheit von gewalthaften Konflikten. Zwar brauchen Gewalt und Terror ein klares Nein. Es ist aber zu wenig, nur etwas zu verhindern und/oder – nachdem das „Kind in den Brunnen gefallen ist“ – den Konflikt zu lösen und erst dann Frieden zu konsolidieren. Das ist allenfalls der halbe, der in der Regel zu späte Weg. Die Politik darf an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Es geht darum, aus dem Nein des Präventionsbegriffs heraus zu kommen und politisch Handlungsräume zu schaffen, in denen sich Frieden entwickeln kann – zwischen den Staaten und innerhalb der Gesellschaften.

 

Nicht von den Krisen, sondern vom Frieden her denken

Nach zwei Jahrzehnten, in denen krisen- und sicherheitsorientiertes Denken mit umstrittenen Ergebnissen im Vordergrund stand, ist die Zeit reif für einen neuen Ansatz/für einen Paradigmenwechsel – wir dürfen nicht mehr von Konflikten und  Krisen, sondern müssen vom Frieden her denken. Das ergibt sich auch aus der diesjährigen Friedensbotschaft von Papst Franziskus. Die im September 2015 von den Staats- und Regierungschefs der Welt bei den Vereinten Nationen beschlossene Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung stellt fest: „Wir sind entschlossen, friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften zu fördern, die frei von Furcht und Gewalt sind. Ohne Frieden kann es keine nachhaltige Entwicklung geben und ohne nachhaltige Entwicklung keinen Frieden.“

Deshalb wäre es gut, wenn die Bundesregierung nicht nur den bisherigen Aktionsplan aktualisieren, sondern mutig ein Konzept der Friedensförderung als Richtschnur für die gesamte deutsche internationale Politik vorlegen würde. Es würde für alle Politikbereiche der Bundesregierung (Außen- und Sicherheitspolitik, Außenwirtschaft, nachhaltige Entwicklung, Umwelt und Klima usw.) gelten. Für die zentrale Steuerungsfunktion des Auswärtigen Amts ist es unverzichtbar. Deshalb liegt es – nach den organisatorischen Konsequenzen im Anschluss an den Review-Prozess – im unmittelbaren Eigeninteresse des Amts, jetzt diesen weiteren Schritt zu gehen.

 

Strategisch und politisch unverbraucht: Der Begriff der Friedensförderung

Der Begriff der Friedensförderung hat den Vorzug, dass er sich für ein allgemeines strategisches Konzept eignet, gleichzeitig aber auch für konkrete Politikschritte (z.B. Investitionen in Friedensursachen). Und er ist politisch unverbraucht – das ist als Erkennungszeichen für eine neue Politik oder Akzentsetzung besonders wertvoll. Er sollte deshalb keinesfalls als Instrument des Krisenmanagements  „zur kleinen Münze“ oder zu deren „Anhängsel“ werden.

Ein Konzept der Friedensförderung würde zunächst die wesentlichen positiven Elemente des vorgestellten Friedensbegriffes herausstellen und dann ausführen, mit welchen Instrumenten auswärtigen Handelns Deutschland Frieden fördern und wie es friedensabträgliche Wirkungen vermeiden möchte. Wird Frieden zum Ausgangspunkt und Maßstab politischer Überlegungen genommen, führt das zu anderen Antworten, Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen (z. B. wie Friedensursachen gefördert werden können). Untersuchungen haben das überzeugend gezeigt.

Der von Herrn Dr. Grävingholt  in seinem Beitrag zu Recht geforderte Mechanismus einer Selbstbindung zur Feststellung der „Friedensverträglichkeit des deutschen außenwirksamen Handelns über alle Politikfelder hinweg“ ist der richtige Ansatz. Er sollte um den Gedanken der Friedensförderlichkeit ergänzt werden. Eine solche Selbstbindung wäre leicht zu verwirklichen. Die Bundesregierung müsste lediglich erklären, dass sie dem Bundestag jährlich (oder in einem anderen zeitlichen Rhythmus) einen Bericht über ihre Politik der Friedensförderung im internationalen Bereich vorlegen wird. Dazu würden dann alle Politikbereiche der Bundesregierung beitragen müssen.

 

Ausschuss für Friedensförderung einführen

Falls aufgrund der Umstände und aus zeitlichen Gründen ein strategisches Konzept kurzfristig nicht realisierbar ist, sollten die neuen Regeln sinnvollerweise gleichwohl als „Leitlinien für eine deutsche Politik der Friedensförderung“ verabschiedet werden! Der vorgeschlagene Bericht als Selbstbindung könnte auch dann dort verankert werden. Und das strategische Konzept könnte (zumindest) als Zukunftsaufgabe angekündigt werden.

Auch der Bundestag sollte sich auf eine solche Selbstbindung verständigen und den bisherigen Unterausschuss „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ in einen Ausschuss für Friedensförderung umgestalten, der sich dem friedensfördernden Zusammenwirken aller außenwirksamer Ausschüsse widmet.

 

Cay Gabbe ist Ministerialrat a. D. und  nach langjähriger Tätigkeit für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Ruhestand. Er ist Mitglied im Weltfriedensdienst und in der Bonner SPD zu den Themen Frieden- und Sicherheitspolitik aktiv.

Der Beitrag ist zuerst bei PeaceLab erschienen. Wir danken PeaceLab für die Genehmigung, ihn auch auf unserem Blog zu veröffentlichen.

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