Solidarische Antworten statt falscher Symbolhandlungen

31. August 2024

Nachdem das Solinger Stadtfest „Festival der Vielfalt“ Ziel eines abscheulichen islamistischen Attentats und drei Menschen ermordet wurden, will die Bundesregierung als Reaktion darauf ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen. Währenddessen tobt eine Überbietungsschlacht darum, wer härter und konsequenter abschieben will.

Auch das neue Maßnahmenpaket enthält eine Reihe von migrationspolitischen Maßnahmen, die teilweise sehr fragwürdig sind. So sollen beispielsweise „Dublin-Flüchtlinge“, also Geflüchtete, die zuvor in einem anderen EU-Land registriert wurden, keine Leistungen mehr erhalten. Nach dem Dublin-System ist der EU-Staat für Asylanträge zuständig, in dem der Antragsteller zuerst EU-Boden betritt. Bei diesen Erstaufnahmeländern handelt es sich häufig um Mittelmeerstaaten wie Griechenland, Italien und Spanien, zu denen Probleme damit verschoben werden sollen.

Schon kurze Zeit nach der Ankündigung von Innenministerin Nancy Faeser, es solle „sehr bald“ Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan geben, erfolgte eine erste Abschiebung nach Afghanistan. Diese Länder sind jedoch nach wie vor unsichere Länder, in denen Menschen gefoltert und getötet und Menschenrechte missachtet werden. Asyl ist und bleibt ein unveräußerliches Menschenrecht, das man nicht verwirken kann.

Der Ruf nach Abschiebungen ist der Reflex zu symbolischem Handeln. Was wirklich gegen islamistische Terror-Attentate hilft, sind präventive Maßnahmen wie Aufklärung, Bildung und Integration. Stattdessen plant die Bundesregierung, die Gelder für Integrationskurse zu halbieren. Auch bei der Bekämpfung von Fluchtursachen wird massiv gespart. Gleichzeitig finden (indirekte) Verhandlungen mit den Taliban oder dem Assad-Regime statt, deretwegen die Menschen ihre Heimatländer an erster Stelle verlassen müssen.

Die aktuellen Vorschläge zur Streichung von Leistungen für bestimmte Asylsuchende sind aus unserer Sicht absehbar verfassungswidrig. Das zugrunde liegende Kalkül, dass Geflüchtete von selbst zurückgehen, wenn die Bedingungen hier nur schlecht genug sind, wird nicht aufgehen. Menschen flüchten, weil sie ihr Leben schützen wollen. Das werden sie weiterhin tun.

P R E S S E M I T T E I L U N G Mattheis: Dem Elend nicht zusehen und kommentieren, sondern handeln

3. März 2020

Berlin, 3. März 2020 – An der griechisch-türkischen Grenze stranden immer mehr Geflüchtete. Das verschärft die ohnehin angespannte Lage der Menschen in den Flüchtlingscamps in Griechenland. Hilde Mattheis, Bundesvorsitzende des Forums DL21 – Die Linke in der SPD, fordert von ihrer Partei eine klare Positionierung, damit Geflüchteten in Not geholfen wird.

 

„Das was sich in Griechenland und der Türkei abspielt ist die Folge von Wegschieben und Wegschauen. Denn seit 2016 musste allen Verantwortlichen klar sein, dass die Notwendigkeit belastbarer Ansätze für Problemlösungsschritte in Sachen Flüchtlingspolitik anstehen,“ sagte Mattheis.

„Angesichts dieses Elendes und der offensichtlichen Tatsache, dass der sogenannte Türkei-Deal gescheitert ist, müssen folgende Punkte schnellstmöglich umgesetzt werden:

  1. Die Möglichkeit für Länder eröffnen lokale Aufnahmen durch die Städte der Sicheren Häfen ermöglichen. Dieser Forderung muss der Bundesinnenminister erfüllen und die SPD Bundestagsfraktion muss diese Forderung erheben. In Deutschland verhindert das Aufenthaltsrecht, dass Länder und Kommunen ohne Zustimmung des Bundesinnenministeriums Menschen in Not aufnehmen.
  2. Den Familiennachzug tatsächlich ermöglichen, um für viele, die jetzt an der Grenze sind, eine Perspektive zu eröffnen.
  3. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes anwenden und einen „wirksamen Zugang zu legalen Einreisemitteln, insbesondere Grenzverfahren, [zu] gewährleisten“.
  4. Griechenland finanziell und durch Personal unterstützen, damit insbesondere die gesundheitliche Versorgung der auf den griechischen Inseln festsitzenden Menschen verbessert wird.
  5. Stopp von Übertragung hoheitlicher Aufgaben an Frontex und Ahnung möglicher Menschenrechtsverstöße durch Frontex-Beamte.

Situation an der türkisch-griechischen Grenze

3. März 2020

Nachdem der türkische Staatspräsident den EU-Türkei-Deal einseitig aufgekündigt hat, um die EU zu erpressen, kommen nun viele Geflüchtete an die Grenze in der Hoffnung, in die EU, speziell nach Deutschland zu gelangen. Wir haben diesen Deal seit Langem kritisiert, da in ihm schon immer das Erpressungspotential durch einen Autokraten wie Erdogan angelegt war und damit Menschen zum Spielball von Machtinteressen werden.

Die EU reagiert bisher mit einer zunehmenden Abschottung und Ausgrenzung. Die Grenzschutzorganisation Frontex und das griechische Militär versuchen, auf dem Wasser und an der Landgrenze, Menschen davon abzuhalten in die EU zu kommen – sei es mit Abdrängung von Booten und Zurückschieben auf das offene Meer, mit Tränengas oder sogar dem Einsatz scharfer Munition.

Die unausweichlich anwachsenden Lager an der Grenze und auf den griechischen Inseln werden zu neuen Problemen führen. Die Situation wird für alle Menschen, sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner als auch für die Geflüchteten immer schwieriger, da letztere unter menschenunwürdigen Zuständen dort hausen müssen und ein geordnetes Asylverfahren von den griechischen Autoritäten nicht durchgeführt wird.

Wir brauchen daher ein Sofortprogramm, um jetzt Menschen zu helfen und die Situation an der Grenze zu mildern.

  1. Wir müssen den Bundesländern (und Kommunen) die rasche Aufnahme von Geflüchteten gestatten, wenn sie das wollen. Viele Kommunen haben sich zur Initiative Seebrücke – Sichere Häfen zusammengeschlossen und würden Menschen in Not im Rahmen ihrer Kapazitäten aufnehmen. Das Bundesinnenministerium verhindert das. Durch eine von den Bundesländern Berlin und Thüringen im Bundesrat vorgeschlagene Änderung des §23 Aufenthaltsgesetzes wäre dies möglich. Die anderen Bundesländer müssen sich dieser Initiative anschließen. Eine Registrierung und Sicherheitscheck der Geflüchteten sollte, durch die EU finanziert, in den Lagern in Griechenland stattfinden.
  2. Rund 5.500 unbegleitete Minderjährige harren unter widrigsten Bedingungen in Griechenland aus. Es ist unverantwortlich, wie mit diesen Kindern und Jugendlichen umgegangen wird. Wir müssen ihnen sofort helfen, indem wir ihnen Schutz in Deutschland bieten. Der Familiennachzug muss wieder ermöglicht werden, um für viele, die jetzt an der Grenze sind, eine Perspektive zu eröffnen.
  3. Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte hat in seiner jüngsten Entscheidung betont, dass Staaten bei der Steuerung von Migrationsbewegungen oder bei der Aufnahme von Asylbewerber*innen nicht gegen die Schengen-Regeln verstoßen dürfen. Wenn Personen in großer Zahl unbefugt eine Grenze überschreiten oder dies versuchen, muss laut Gerichtshof der zuständige Staat einen „wirksamen Zugang zu legalen Einreisemitteln, insbesondere Grenzverfahren, gewähren“. Dieser Entscheidung muss die griechische Regierung folgen. Sie darf den Zugang zu Asylverfahren nicht aussetzen und Personen ohne Registrierung nicht sofort zurückzuweisen, weil das gegen nationales, europäisches und internationales Recht sowie gegen das Nichtzurückweisungs-Gebot verstößt.
  4. Der griechische Staat ist nicht in der Lage, die medizinische und sonstige Versorgung der Geflüchteten, die Registrierung und Bearbeitung deren Asylbegehrens und die ordentliche Unterbringung, Beschulung etc. zu gewährleisten. Die EU muss daher schnellstmöglich finanzielle Hilfen an Hilfsorganisationen und Träger leisten.
  5. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex handelt zunehmend außerhalb ihrer Kompetenzen und versucht sich als Polizei mit rigiden Maßnahmen gegen Flüchtlinge. Die rechtlich geplante oder zum Teil einfach faktische Kompetenztausweitung von Frontex lehnen wir strikt ab. Menschenrechtsverletzungen von Frontex-BeamtInnen müssen geahndet werden.

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