Wir brauchen eine echte Reform der Schuldenbremse

12. März 2025

Stellungnahme zur Einigung von Union und SPD auf Ausnahme der Militärausgaben von der Schuldenbremse und Einrichtung eines Sondervermögens

Das Forum DL21 kritisiert die jüngste Einigung von Union und SPD, die Militärausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen und ein Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen einzurichten. Zwar begrüßen wir die Bereitstellung eines Sondervermögens von 500 Mrd. Euro für Infrastrukturinvestitionen und die Lockerung der Verschuldungsregelungen für die Bundesländer, so dass diese nun die Möglichkeit haben, höhere Kredite aufzunehmen.  

Aus unserer Sicht ist es jedoch unzureichend und problematisch, dass lediglich die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen. Zum einen halten wir Aufrüstung für einen falschen Weg, wenn wir Frieden erreichen wollen. Zum anderen ist unklar, wie die unbegrenzten Militärausgaben finanziert werden sollen. Ohne eine Änderung der Steuergesetzgebung, um diese Ausgaben etwa mit höheren Steuern oder Sonderabgaben für Menschen mit sehr hohen Einkommen und Vermögen zu verknüpfen, wird die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung am Ende die Last tragen müssen oder es drohen Kürzungen in anderen Bereichen.

Darüber hinaus zeigt das Vorhaben, 500 Mrd. Euro in die Finanzierung der Infrastruktur zu stecken aber auch, wie wichtig Investitionen in diesem (und anderen) Bereichen sind und wie notwendig eine grundsätzliche Reform, wenn nicht gar eine vollständige Abschaffung der Schuldenbremse wäre. Mindestens müssen aber Investitionen in den Bereichen Soziales, Infrastruktur, Bildung, Familie, Demokratie, bezahlbares Wohnen und Klimaschutz von den derzeit geltenden Schuldenregeln ausgenommen werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass dringend benötigte Investitionen getätigt werden, um den sozialen Zusammenhalt, die ökologische Transformation und die Lebensqualität in unserem Land nachhaltig zu sichern. Die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastrukturausgaben greift daher zu kurz.

Es ist aus demokratietheoretischer Perspektive zudem nicht nachvollziehbar, dass die Abstimmung über diese Änderungen noch im alten Bundestag erfolgen soll. Wir finden es bedenklich, wenn Abgeordnete, die nicht wiedergewählt wurden, über eine so weitreichende Entscheidung wie die Änderung des Grundgesetzes abstimmen sollen. Dies schwächt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Legitimität parlamentarischer Entscheidungen.

Als SPD geben wir durch diese Einigung zudem alle Optionen für eine echte Reform der Schuldenbremse aus der Hand. Wenn Friedrich Merz bei den Militärausgaben freie Hand erhält, wird eine weitere Reform der Schuldenbremse nahezu unmöglich. Es hätte der Versuch unternommen werden müssen, sich mit den demokratischen Fraktionen des neuen Bundestages – also Grünen und Linken –  über eine generelle Überarbeitung der Schuldenbremse zu einigen. Dabei wäre es unerlässlich gewesen, die beide Parteien von Anfang an in die Verhandlungen einzubeziehen.

Wir fordern eine umfassende und nachhaltige Reform der Schuldenbremse, die alle notwendigen Investitionen berücksichtigt und die demokratischen Prinzipien wahrt. Nur so können wir den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden und eine gerechte und nachhaltige Entwicklung unseres Landes sicherstellen.

Veranstaltungsbericht „Syrien – Wie weiter nach dem Sturz Assads“

10. Februar 2025

Am 28. Januar haben wir uns auf einer Online-Veranstaltung mit dem Titel „Syrien – Wie weiter nach dem Sturz Assads?“ mit der Frage befasst, wie die Zukunft Syriens aussehen und welche Rolle Deutschland dabei spielen könnte. Zu diesem Thema berichtete der Syrien-Experte Dr. Sascha Ruppert-Karakas, moderiert vom Vorstandsmitglied Lorans El Sabee. 

Nach der Begrüßung durch den DL21-Ko-Vorsitzenden Jan Dieren, MdB, zeichnete Dr. Ruppert-Karakas in seinem Input ein Bild des autoritären Herrschaftssystems unter der Assad-Dynastie und widerlegte den Mythos, Assad sei ein „säkularer Herrscher“ gewesen – eine Behauptung, die zur Propaganda benutzt wurde, um jede Opposition zu delegitimieren. Im Gegenteil: Assad nutzte ethnische, sektiererische und religiöse Unterschiede gezielt, um verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen und seine Herrschaft zu verfestigen. Aus diesen Spannungen formierten sich später mehrere Gruppierungen, die zu prägenden Akteuren im Bürgerkrieg wurden. Dr. Ruppert-Karakas beleuchtete dabei die Geschichte und Entstehung von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) im Kontext der syrischen Aufstände. Die Gruppierung, die ursprünglich als islamistische Miliz begann, etablierte in Idlib eine Art Staatsformation und trug letztlich maßgeblich zum Sturz Assads bei. Dabei setzte HTS einerseits repressive Methoden ein, schuf andererseits aber auch bemerkenswerte institutionelle Strukturen. Aus der Frage, wie aus den Überresten von über 50 Jahren Assad-Herrschaft und der Geschichte der neuen Machthaber ein funktionierender Staat entstehen kann, entwickelte sich eine Diskussion, deren zentrale Erkenntnisse sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Vom Milizwesen zur Staatsbildung
HTS gelang es, sich durch eine pragmatische Strategie von einer reinen Miliz zu einer quasi-staatlichen Ordnung mit Ministerien und Verwaltungsstrukturen zu entwickeln. Diese Ausrichtung signalisiere eine Gesprächsbereitschaft, die über starre ideologische Grenzen hinausgehe – auch wenn der Weg zu einem breiteren Konsens mühsam und langwierig bleibe. Zugleich blieben die inneroppositionellen Spannungen zwischen säkularen Kräften, Islamisten und ehemaligen Regimefunktionären hochbrisant. 

Vergangenheitsbewältigung als Grundpfeiler der Stabilität
Ein wesentlicher Schwerpunkt der Diskussion lag auf Transitional Justice und der Notwendigkeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Versöhnung und Aufarbeitung seien essenziell für eine stabile Zukunft – eine Aufgabe, die zusätzlich erschwert werde, wenn ehemalige Regime-Kader in neue Machtstrukturen integriert werden. Dieser Balanceakt werde zentral für die Zukunft Syriens sein.

Die Rolle Deutschlands
Auch die außenpolitische Rolle Deutschlands wurde eingehend diskutiert. Eine mögliche Lockerung der Sanktionen könnte den Prozess einer frühen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erholung unterstützen – allerdings sollte dies unter klar definierten Bedingungen geschehen, die verhindern, dass autoritäre Strukturen erneut an Einfluss gewännen. Entscheidend werde sein, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden können, ohne kolonialen Eindruck zu erwecken, der Syrer*innen in die Arme von autoritären Staaten führen könne.

Die Diskussion machte deutlich: Die Zukunft Syriens bleibt ungewiss. Während die Bevölkerung auf Stabilität hofft, steht die internationale Gemeinschaft vor der Herausforderung, angemessen mit den neu entstandenen Machtstrukturen umzugehen. In Syrien steht sehr viel auf dem Spiel. Jetzt aber bietet sich die Möglichkeit, durch Kooperationsangebote Stabilität in die Region zu bringen und Menschenrechte zu schützen.

Das Forum DL21 – die Linke in der SPD warnt vor einer Militarisierung der Politik – Nein zur Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen

23. August 2024

Der Nato-Gipfel, der vom 8. bis 11. Juli 2024 anlässlich des 75. Bestehens des Militärpaktes in Washington stattfand, hat die Weichen noch stärker für eine Militarisierung der internationalen Politik gestellt, die zu einer verhängnisvollen Sackgasse zu werden droht. Dass die unmittelbare Kriegsschuld Russlands außer Frage steht, ändert nichts daran, dass es zuerst um den Frieden gehen muss. In der EU muss die Diplomatie gestärkt werden und nicht die Dominanz des Militärischen. Das heißt, dass auch Russland sich an den Verhandlungstisch begeben muss, was wiederum Druck aus China auf Moskau erfordert.

Die SPD-Linke erinnert daran: Als es 1968 zur Niederschlagung des Prager Frühlings kam, wurde der damalige Bundesaußenminister Willy Brandt angesichts der neuen Konfrontation aufgefordert, seine Bemühungen um eine Entspannungspolitik zu beenden. Brandt antwortete im Bundestag, dass gerade der Versuch, neues Vertrauen und Formen der Kooperation zu schaffen, umso wichtiger sei. Das gilt auch heute, wo die Gefahr eines großen Krieges in Europa wieder zu einer denkbaren Zukunft zu werden droht.

Krieg ist unmenschlich. Wir wissen aus den Katastrophen der beiden Weltkriege: Krieg kennt keine Grenzen in sich. Daraus müssen wir lernen friedensfähig zu sein. Wir blicken mit großer Besorgnis auf die Militarisierung des Diskurses aus Teilen der Regierungs- wie der Oppositionsparteien.

Die SPD-Linke sagt Nein zur Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland, die sowohl konventionell als auch atomar bestückt werden können. Nicht dem Krieg, sondern dem Frieden muss der Weg bereitet werden. Das ist auch heute richtig.

Deshalb bedauern wir den Präsidiumsbeschluss der SPD zu den Nato-Beschlüssen. Er geht in eine falsche Richtung und ist nicht vereinbar mit der friedenspolitischen Tradition der Partei. Wir hätten uns im Vorfeld einer derart weitreichenden Entscheidung eine offene und kontroverse Debatte in der Partei und damit eine breitere demokratische Willensbildung gewünscht. Entscheidungen mit solch einer weitreichenden Signalwirkung müsse außerdem zwingend im Deutschen Bundestag diskutiert werden. Die moralische Instrumentalisierung von Kindern weisen wir zurück.

Die DL21 ruft dazu auf, sich zahlreich an den Veranstaltungen zum Antikriegstag sowie an der Friedensdemonstration am 3. Oktober 2024 in Berlin zu beteiligen, um starke Zeichen zu setzen.

Wir freuen uns, dass sich auch der Bundesvorstand der AG60+ der SPD unserem Aufruf angeschlossen hat.

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