Am 29. und 30. November hat in Frankfurt/Main unsere Herbsttagung mit dem Titel „Sozialdemokratische antifaschistische Strategien“ stattgefunden. Am Freitagabend haben wir mit Clara Dilger von der Uni Leipzig und dem Vorsitzenden der hessischen Jusos, Lukas Schneider, über die Hintergründe des zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland und mögliche Gegenstrategien diskutiert.
Clara Dilger erklärte auf die Frage danach, mit was für einer Partei wir es bei der AfD zu tun haben, es handele sich um eine rechtspopulistische – und in Teilen auch rechtsextremistische – Partei. Ihre Anhänger misstrauten den etablierten Parteien, aber auch den öffentlich-rechtlichen Medien und der Wissenschaft. Zudem seien sie damit unzufrieden wie die Demokratie funktioniere, was allerdings nicht mit einer Ablehnung der Demokratie generell gleichzusetzen sei. Der verstärkte Zuspruch für die AfD sei als Gegenreaktion auf eine Öffnung der Gesellschaft zu verstehen. Je stärker sich eine Gesellschaft öffne, desto stärker werde die Gegenreaktion. Ihre Forschung habe gezeigt, dass wirtschaftliche Ungleichheit für die Wähler:innen der AfD nicht im Vordergrund stehe, wobei sie sehr große wirtschaftliche Sorgen hätten. Dabei gehe es allerdings weniger um ihre objektive Lage als um ihre subjektive Wahrnehmung. In der Regel gehörten sie zur einigermaßen gut abgesicherten unteren Mittelschicht, die sich aber bedroht sehe und der Meinung sei, „die Politik“ kümmere sich weder um ihre wirtschaftlichen noch ihre politischen Belange.
Kurzfristig ließen sich die Wähler:innen der AfD daher über Verteilungspolitik nicht zurückgewinnen. Dies könne nur langfristig geschehen. Dafür müsse etwa die marode öffentliche Infrastruktur, die symbolisch für das wahrgenommene Versagen des Staates stehe und mit der die Menschen täglich in Berührung kämen, modernisiert werden. Wichtig sei, dies über eine gerechte Lastenverteilung zu finanzieren. Deutliche Kritik übte Clara Dilger an dem Versuch der demokratischen Parteien, die Themen der AfD zu übernehmen, indem man bspw. eine Asylpolitik betreibe, wie sie auch die AfD propagiert. Die Wähler:innen wählen am Ende doch das „Original“.
Diesen Punkt kritisierte auch Lukas Schneider. Es sei ein Problem, wenn die SPD etwa in der Migrationspolitik die Positionen der AfD übernehme, weil die Rechtspopulisten sich dann damit brüsten könnten, dass ihre Politik wirke. In diesem Zusammenhang sei es auch ein Problem, wenn die SPD sich von Meinungsumfragen und der Presse treiben lasse und dadurch in ihrem Narrativ nicht mehr kohärent sei. Das verunsichere die Menschen.
Zudem bemängelte er, dass wir uns mit der Schuldenbremse die Möglichkeiten für die geforderten Investitionen in die Infrastruktur nähmen. Um diese zu finanzieren, müssten bspw. auch große Vermögen höher besteuert werden. Durch die Abschaffung der Vermögenssteuer seien dem Staat in den vergangenen Jahren Einnahmen in Höhe von 600 Mrd. Euro entgangen. In diesem Zusammenhang müsse die SPD viel stärker thematisieren, wer in diesem Land leistungslose Vermögen bekomme – nämlich Erben höher Vermögen. Als positives Beispiel für eine soziale Politik nannte er den spanischen Ministerpräsidenten Sanchez, der sich durch die Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum auf große Zustimmung in der Bevölkerung stützen könne.
Lukas betonte zudem, dass es wichtig sei, dass die Partei Erkenntnisse aus der Forschung in ihre Politik einbeziehe. Als Beispiel nannte er die Prämie von 1.000 Euro für Bürgergeldempfänger:innen, wenn sie nach längerer Arbeitslosigkeit wieder einen Stelle anträten. Wissenschaftler:innen hätten darauf verwiesen, dass dieses Modell erfolgversprechend sei und sich auf lange Sicht auch finanziell auszahle, weshalb er dessen Umsetzung befürwortete.
Am Samstag wurde die Diskussion vom Freitag vertieft und über das vom Vorstand vorgelegte Eckpunktepapier einer „Sozialdemokratischen antifaschistischen Strategie“ beraten. In seiner Einführung erklärte der stellvertretende DL-Vorsitzende Knut Lambertin, Ausgangspunkt des Papiers seien die Anfang des Jahres aufgedeckten Deportationspläne der Rechten und die daran anschließenden Demonstrationen gewesen. Bedauerlicherweise sei es der SPD nicht gelungen, bei diesen Protesten gegen die AfD Anschluss an die Zivilgesellschaft zu bekommen, um sich mit ihr zu vernetzen. In dem Papier gehe es nun unter anderem um die Frage, wie diese Vernetzung mit der Zivilgesellschaft gelingen kann. Ziel müsse sein, den Faschisten die geistigen und organisatorischen Grundlagen zu entziehen und so den Zustrom an Wähler:innen zu begrenzen.
In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass nicht alle Wähler:innen der AfD Faschisten seien, sondern viele von ihnen von den demokratischen Parteien enttäuscht seien. Gleichzeitig erklärten die Teilnehmenden, dass die Wähler:innen durchaus wissen müssten, was aus ihrer Protestwahl folgt, wenn die AfD an die Macht käme – nämlich Faschismus, statt besserer Sozialpolitik.
Einig war man sich darin, dass es eine echte Umverteilung und mehr Investitionen in die Infrastruktur und bezahlbares Wohnen geben müsse, um die Menschen wieder zurückzugewinnen.
Es wurde zudem betont, dass es in dem Papier nicht darum gehen solle, die Wähler:innen zu beschimpfen, sondern darum, faschistische Ideologien zurückdrängen. Das müsse auf der einen Seite geschehen, indem wir eine Politik betreiben, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und den Fokus auf Verteilungsgerechtigkeit setze. Zum anderen müssten sich die Genoss:innen vor Ort in Bündnisse einklinken. Damit diese erfolgreich seien, müssten sie breit organisiert sein. In Köln und Ulm sei dies bspw. sehr gut gelungen. Aber auch die Bedeutung politischer Bildung wurde betont. Dabei gehe es nicht nur darum zu vermitteln, wie die parlamentarische Demokratie funktioniere, sondern darum, eine Haltung zu generieren.
Darüber hinaus wurde auch grundsätzlich Kritik am Kapitalismus geübt. Es reiche nicht aus, ausschließlich auf den Schutz der Demokratie zu setzen, man müsse darüber hinaus den Kapitalismus überwinden. Der Faschismus greife zudem all jene Menschen an, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik entzögen.
Zum Abschluss verwies Knut Lambertin noch einmal darauf, dass es in dem Papier vor allem darum gehe, Ansatzpunkte für antifaschistisches Handeln zu liefern und es daher keine spezifischen sozialistischen Forderungen gebe. Diese müssten von den Menschen vor Ort entwickelt und umgesetzt werden und damit auf die Bündnispartner zugegangen werden.
In der nachfolgenden Mitgliederversammlung verabschiedeten die Anwesenden die Linken Impulse für 2025, unsere Impulse für das SPD-Wahlprogramm 2025, die nun breit in die Partei hineingetragen werden sollen.